Glaube ich an Wunder?
Kann ich mich darauf einlassen, dass auch außerhalb meiner menschlichen Vorstellungkraft etwas existiert, was ich weder sehen noch hören oder in sonstiger Weise begreifen kann? Manches kann ich zwar nicht verstehen, aber stattdessen darf ich es spüren: Liebe, Freundschaft und eben auch Gott. Denn auch wenn diese Begriffe allesamt abstrakte Beschreibungen sind, ist deren Inhalt konkret erfahrbar.
In der ausgewählten Bibelstelle aus dem Lukas-Evangelium geht es um ein großes Wunder: Die Jungfrau Maria hat den Sohn Gottes „ohne Samen aus Heiligem Geist empfangen“ (vgl. Syn. im Lateran 649: DS 503). Wir können uns diesen Vorgang weder vorstellen noch auch nur annähernd verstehen. Aber für wen halte ich mich, wenn ich nur das als wahr und existent anerkenne, was in meiner menschlichen Vorstellungskraft liegt?
Aus dem Hl. Evangelium nach Lukas
Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazareth zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.
Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben.
Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich.
Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.
Beim Lesen dieser Verse muss ich mir immer eines vor Augen halten: göttliche Handlungen sind größer als meine begrenzten menschlichen Möglichkeiten. Für Gott ist nichts unmöglich, denn Er ist allmächtig, also im Stande alles zu vollbringen. Viele haben ein Problem mit Wundern und können daher nicht glauben. Aber auch „nur“ die Existenz Gottes liegt weit außerhalb der menschlichen Vorstellungskraft.
Ein Erklärungsversuch
Liebe und Freundschaft. Beides sind abstrakte Begriffe: man kann sie nicht sehen, man kann sie nicht hören, man kann sie nicht angreifen. Würde jemand die Existenz von Liebe bestreiten? Oder die Existenz von Freundschaft? Vermutlich nicht. Warum? Weil fast jeder bereits die Erfahrung machen durfte, wie sich Liebe anfühlt bzw. was Freundschaft bedeutet.
Mit der gleichen Herangehensweise kann ich mich auch Gott nähern: Was soll ich mir unter diesem Wort vorstellen? Gott ist Gott und obwohl es viele Eigenschaften gibt, die wir Ihm zuschreiben (Liebe, Allmächtigkeit, Allgegenwärtigkeit, …), bleibt Gott schlussendlich ein Mysterium, das wir nie vollkommen begreifen können, weil das Göttliche unseren menschlichen Verstand übersteigt.
Aber genauso wie die Liebe oder die Freundschaft ist Gott real spürbar und wird in Jesus Christus erfahrbar als Mensch. Und auch in der heutigen Zeit, wo ich weder den Vater noch den Sohn oder den Hl. Geist sehen kann, ist Er allezeit bei mir und lässt mich Seine Gegenwart spüren. Während also die Wörter selbst (Liebe, Freundschaft, Gott, …) zwar abstrakt sind, ist deren Inhalt konkret erfahrbar.
Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.
Mt 28,20
Die Gottesmutter Maria soll mir heute ein Vorbild sein, auf den Ruf Gottes zu hören und mich vertrauensvoll in Seine Hände zu begeben. „Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ (Lk 1,38) Sie glaubt dem Engel und seiner Botschaft, ohne dass sie einen endgültigen Beweis bekommt – denn glauben heißt vertrauen und sich mit Seiner Liebe beschenken zu lassen.
Bin ich bereit, so wie Maria, den Willen Gottes anzunehmen und Ihm zu vertrauen?