Was ist eigentlich Berufung?
Als ich mich vor kurzem mit einem Freund unterhalten habe, fragte er mich plötzlich: „Was ist eigentlich Berufung? Und wie erkennt man überhaupt eine Berufung?“ – Bin ich bereit dazu, meine Berufung konkret in meinem Leben umzusetzen? Genau um diese Fragen soll es in diesem Gedankenbeitrag gehen, weshalb ich eine entsprechende Bibelstelle aus dem Matthäus-Evangelium (Mt 9,9-13) ausgewählt habe.
Aus dem Hl. Evangelium nach Matthäus
Als Jesus weiterging, sah er einen Mann namens Matthäus am Zoll sitzen und sagte zu ihm: Folge mir nach! Und Matthäus stand auf und folgte ihm nach. Und als Jesus in seinem Haus bei Tisch war, siehe, viele Zöllner und Sünder kamen und aßen zusammen mit ihm und seinen Jüngern.
Als die Pharisäer das sahen, sagten sie zu seinen Jüngern: Wie kann euer Meister zusammen mit Zöllnern und Sündern essen? Er hörte es und sagte: Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Geht und lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer! Denn ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder.
„Folge mir nach!“ – Berufung im allgemeinen Sinn ist der Ruf Jesu, Ihm nachzufolgen. Diese Nachfolge ist aber nicht nur die Aufgabe einiger weniger Menschen, die diese Berufung als Priester oder Ordensleute leben: Die Nachfolge Christi ist das Grundprinzip des generellen Christ-Seins. Die Aufforderung Jesu, Ihm nachzufolgen, ist nämlich nicht nur an eine exklusive Personengruppe gerichtet; dieser Ruf ergeht an alle getauften Christen.
Schließlich hat jeder Mensch seine Berufung und seinen Platz, den Gott ihm zugedacht hat. Während also die einen Menschen zu einem Leben in der Ehe berufen sind und dort nach Vollkommenheit streben, gibt es auch andere, die zum priesterlichen Dienst bzw. zum Ordensleben berufen sind. Wichtig ist dabei, dass jede Form der Nachfolge Christi gleichwertig zu betrachten ist; denn der Hl. Kirchenvater Ambrosius von Mailand schreibt:
Es gibt drei Formen der Tugend der Keuschheit: die eine ist die der Verheirateten, die andere die der Verwitweten, die dritte die der Jungfräulichkeit. Wir loben nicht die eine unter Ausschluss der anderen. Dies macht den Reichtum der Disziplin der Kirche aus.
s. KKK 2349
Jede Berufung ist notwendig und jeder Mensch wird an der Stelle gebraucht, für die Gott ihn berufen hat. Diese zwei Aussagen sind essentiell in der weiteren Auseinandersetzung mit diesem Thema.
Wie erkenne ich meine Berufung?
Da wir in einer Welt leben, wo wir im Normalfall weder den Vater noch den Sohn oder den Hl. Geist mit unseren menschlichen Sinnen wahrnehmen können, ist die Frage der eigenen Berufung oftmals nicht so einfach wie im Evangelium dargestellt. Aber trotzdem kann ich hören, was Jesus zu mir sagt, und ich kann sehen, zu welcher Aufgabe Er mich berufen hat: nämlich durch die Kommunikation mit Ihm im Gebet. Denn nur wenn ich beginne, mit dem Herzen zu hören, werde ich in der Lage sein, die Stimme Gottes wahrzunehmen.
Durch den Hl. Geist, der uns Christen im Sakrament der Taufe geschenkt wird, ist es uns möglich zu unterscheiden, welche Botschaft wirklich von Gott stammt und welche nicht. Aber gerade in einer Welt, wo wir jeden Tag mit irgendwelchen Botschaften zugedröhnt werden, müssen wir aufpassen, dass wir Gottes Wort nicht überhören.
Nur in den allerseltensten Fällen, vermutlich sogar nie, werden wir eine Stimme hören, die uns klar sagt, was wir tun sollen; auch wenn wir uns das vielleicht oft wünschen würden. Warten wir also gar nicht erst auf solch große Zeichen, wie sie oft in der Bibel beschrieben werden.
Gott übermittelt uns Seine Botschaften viel subtiler. In der Stille. Wenn wir beten und plötzlich wissen, was zu tun ist. Durch einen unserer Mitmenschen. Beim Lesen der Heiligen Schrift. Manchmal kommt uns auch selbst ein Gedanke und wir dürfen spüren, dass es eine göttliche Botschaft war.
Es gibt also viele Möglichkeiten nicht nur zu Gott zu sprechen, sondern auch eine Antwort von Ihm zu bekommen. Dies waren auch nur einige Beispiele, denn Gott ist so groß, dass wir niemals alle Möglichkeiten kennen werden. Gott lässt sich nicht in ein menschliches Schema eingrenzen. Und genau deshalb brauchen wir einen gefestigten Geist und ein feines Gespür, um aus den vielen Botschaften des Alltags die Stimme Gottes herauszuhören.
Bin ich bereit für meine Berufung?
Berufung heißt gleichzeitig auch immer annehmen und vertrauen, dass Gott schon wissen wird, was Er mit mir vorhat. Auch wenn es mir in der aktuellen Situation völlig unvorstellbar erscheint, darf ich glauben, dass Gott es besser weiß als ich – schließlich ist Er allmächtig und allwissend; ich dagegen bin nur ein Mensch und gering ist meine Einsicht in die Weisheit.
Bin ich also bereit dazu, meine Berufung konkret in meinem Leben umzusetzen? Oder fürchte ich mich davor, weil ich nicht genügend Gottvertrauen habe? Das für heute ausgewählte Evangelium gibt mir eindeutig folgende Hoffnung: Ich bin niemals zu schlecht oder zu unwürdig, um dem Herrn zu dienen – egal wie mein Leben vorher war, der Herr vergibt mir, wenn ich bereit bin, mich auf Seinen Ruf einzulassen.
Hier bin ich, Herr, sende mich!
nach Jes 6,8
Auch zu einer Priester-/Ordensberufung gilt es JA zu sagen, wenn ich eine verspüre, so schwierig und unmöglich es mir auch auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn auf eines darf ich ganz sicher vertrauen: Jesus wird mich dort einsetzen, wo mein Platz ist und wo ich ein erfülltes Leben führen werde. Wenn ich also auf das höre, was Gott zu mir spricht, dann, aber auch nur dann, werde ich mit Sicherheit das Richtige tun.